„Ihr tragt keine Schuld     
für das was passiert ist,          
      aber ihr macht euch schuldig
wenn es euch nicht interessiert“  
Esther Bejarano

Meta Mendel, geborene Süßkind

Bahnstraße 67

Paul Mendel, Meta Mendel, geborene Süßkind und Ruth Mendel

In Borken kam am 3. März 1883 Paul Mendel als Sohn der Eheleute Josef und Johanna Mendel, geborene Elgen, zur Welt. Sein Bruder Max wurde drei Jahre später geboren. Beide kämpften als Soldaten im Ersten Weltkrieg. Paul Mendel wurde im Dezember 1915 das Eiserne Kreuz II. Klasse verliehen.
Paul Mendel heiratete Meta Süßkind. Sie stammte aus Mönchengladbach, wo sie am 18. April 1889 als Tochter von Mayer und Regina Süßkind, geborene Servos, zur Welt gekommen war. Im Jahr ihrer Geburt bestand der Hausstand des Handelsmanns Mayer Süßkind in Mönchengladbach in der Steinstraße 11 (heute Franz-Gielen-Straße) aus sechs Personen. Zusammen mit ihren Eltern lebte Meta Süßkind während des Ersten Weltkrieges bereits in Düsseldorf. Am 26. Oktober 1917 verstarb ihre Mutter und wurde auf dem alten jüdischen Friedhof an der Ulmenstraße begraben.

Nach der Hochzeit bezogen Paul und Meta Mendel eine gemeinsame Wohnung in der Bahnstraße 67. Am 2. Juli 1919 wurde ihr Sohn Günther und zwei Jahre später, am 28. Dezember 1921, wurde ihre Tochter Ruth geboren. Paul Mendel verdiente den Lebensunterhalt für seine Familie als Bankdirektor und Kaufmann. Am 12. Dezember 1934 zog die Familie um in die Schützenstraße 8, ab Ende 1936 wohnten sie in der Stromstraße 7.

Auch Paul Mendels Bruder, der Anwalt Dr. Max Mendel, lebte mit seiner Familie in Düsseldorf. Beide Familien wurden in der Pogromnacht 1938 in ihren Wohnungen überfallen. Das Wohnungsinventar in der Stromstraße 7 wurde in der Nacht völlig zerstört. Mit im Haushalt lebten zu dieser Zeit auch der Vater von Meta Mendel, der Witwer Mayer Süsskind, sowie seine verwitwete Schwägerin Jenny Müller, geborene Süsskind.
Wie sein Onkel Dr. Max Mendel und seine Frau, flüchtete Günther Mendel im Oktober 1939 nach Brüssel. Die Emigration der Eltern und seiner Schwester Ruth gelang nicht rechtzeitig. Paul Mendel wurde zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter Ruth am 27. Oktober 1941 von Düsseldorf in das Ghetto von Łódź deportiert. Zuvor hatte er in Düsseldorf im Rahmen des „Jüdischen Arbeitseinsatzes“ Zwangsarbeit leisten müssen. Die Familie Mendel musste im Ghetto mit 63 weiteren Deportierten in das Zimmer 9 der Kollektivunterkunft Fischstraße 15 einziehen.

Am 7. Dezember 1941 verfassten die drei eine Postkarte an Günther in Brüssel, die dieser auch erhielt. Sie schrieben: „Erst heute sind wir in der Lage, Dir Zeilen zukommen zu lassen. Wir sind guter Dinge und hoffen selbiges von Dir. Natürlich sind wir besorgt, wie es Dir geht, und bitten Dich, uns nach Erhalt dieser Karte umgehend ausführlich zu schreiben. Postkarten, Briefe bis 20g sowie Geldsendungen in unbeschränkter Höhe können an uns geschickt werden. Hast Du inzwischen von den l. Verwandten in Antwerpen gehört? Ist die Büchersendung (Musikalien) ab Düsseldorf bei Dir eingetroffen?
Nachdem Günther die Postkarte erhalten hatte, schickte er seinen Eltern per Postanweisung 20 Reichsmark ins Ghetto, die sie auch erhielten.

Paul Mendel konnte sich und seine Familie durch den Nachweis seiner Weltkriegsauszeichnungen vom IV. „Aussiedlungstransport“ am 7. Mai 1942 zurückstellen lassen. Nach der Auflösung der Kollektivunterkünfte zog die Familie am 4. Juni 1942 in ein Zimmer der Wohnung 3 in der Fischstraße 18. Paul Mendel musste sich im August 1942 stationär in einem der Ghetto-Krankenhäuser behandeln lassen. Seine Frau Meta Mendel wurde während der „Sperre“ im September 1942 im Ghetto aufgegriffen und im Vernichtungslager Chełmno ermordet. Paul Mendel verstarb am 12. April 1943. Nun war Ruth Mendel alleine. Sie wohnte in einem Zimmer der Wohnung 3 im Haus Fischstraße 18 und arbeitete seit dem 5. März 1943 als Stickerin im Betrieb Nr. 82, einer Handstickerei in der Fischstraße 21. Am 2. Juli 1944 versuchte sie durch ein Schreiben an die „Zwischen-Ressortkommission“, dem sie ein ärztliches Attest beilegte, ihre „Ausweisung“ aus dem Ghetto zu verhindern: „Bin 22 Jahre alt und fühle mich durch mein Herzleiden so schwach, dass ich mich den Strapazen des Transportes nicht gewachsen fühle und bitte deshalb um Befreiung.“ Ihr wurde am 5. Juli 1944 von der Kommission mitgeteilt, dass ihr Antrag abgelehnt worden sei. Sie wurde vom 11. bis 12. Juli 1944 im Zentralgefängnis des Ghettos festgehalten und am 12. Juli 1944 ins Vernichtungslager Chełmno deportiert und ermordet.

So blieb Günther Mendel der einzige Überlebende der Familie. Zusammen mit seiner späteren Frau Meta Marie Neufeld war er als Jude am 8. März 1943 verhaftet und interniert worden. Am späten Abend des 19. April 1943 hatte er als Häftling Nummer 1082 das belgische Internierungslager Malines mit dem 20. Deportationstransport mit Ziel Auschwitz verlassen müssen. Der Zug mit den 30 Waggons wurde von einer Gruppe junger Widerstandskämpfer auf freier Strecke gestoppt, einige Waggons geöffnet und die Insassen auf Französisch und Deutsch zur Flucht aufgefordert. Günther Mendel und Meta Neufeld gehörten zu denjenigen, die diese Chance nutzen konnten und überlebten. Günther Mendel verstarb 2007 in den USA.

Autorin: Hildegard Jakobs, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf